Wegen eines fernen Cousins aus Amerika ging ich in der letzten Augustwoche wieder in die Stadt und betätigte mich als Guide. Notgedrungen auf Englisch.
Nach den obligatorischen Touristenattraktionen (Gellértberg, Burgviertel mit Fischerbastei und Heldenplatz) wurde ein neues Denkmal auf dem Szabadság tér (Freiheitsplatz, sic!) besucht, das den historischen Augenblick zeigt, in welchem der mit der Jahreszahl 1944 beringte Reichsadler auf den unschuldigen Erzengel Gabriel herabstürzt. Darüber die Inschrift: „Denkmal für die Opfer der deutschen Besetzung”. Ich ließ ihm (dem Cousin) die mit dem Werk verwirklichte partielle Holocaustverleugnung der jetzigen Regierung unerwähnt und wies nur darauf hin, dass die Machthaber dieses Monument – trotz oder wegen Monate langer Proteste – heimlich in der Nacht aufstellen ließen und es offiziell nie einweihten. – Ein uneingeweihtes Denkmal!
Ich zeigte nicht, sondern erzählte folgende Geschichte.
Nach seinem letzten Willen solle ein Exilant in heimischer Erde ruhen. Er solle kein Kriegsverbrecher, kein Faschist und kein Antisemit gewesen sein, weil er damals von Kontrollgremien der Alliierten für nicht unmittelbar schuldig erklärt worden sei. Das ließ (vor zwei Jahren aus Anlass der geplanten und dann gescheiterten Wiederbeerdigung) der ungarische Parlamentspräsident (Freund und Weggefährte des Premiers) schriftlich den aufhorchenden Elie Wiesel und die breite Öffentlichkeit wissen. Außerdem solle man trennen zwischen literarischem Schaffen und verfehlten politischen Ansichten.
Demgegenüber war der Exilant ein siebenbürgisch-patriotischer Schriftsteller und Journalist faschistisch-antisemitischer Gesinnung, ein Abgeordneter des Parlaments selbst während der deutschen Besetzung, als 600 000 Ungarn überwiegend jüdischer Abstammung binnen Kurzem in KZs gebracht und vernichtet worden waren.
Der Cousin wollte einmal die Stadt sehen, in der seine Mutter aufwuchs und für immer nach Amerika ging.